K. Utz Tremp (Hg.): Das erste zweisprachige Notariatsregister von Freiburg (1407–1427)

Cover
Titel
Das erste zweisprachige Notariatsregister von Freiburg (1407–1427. Staatsarchiv Freiburg (Schweiz), Notariatsregister, 31


Herausgeber
Utz Tremp, Kathrin
Reihe
Bibliotheca Otolandana
Erschienen
Freiburg 2021: Staatsarchiv Freiburg
Anzahl Seiten
675 S.
von
Sue Andersen

In dem hier vorzustellenden Band legt die renommierte Expertin des mittelalterlichen Freiburger Notariatswesens Kathrin Utz Tremp die Edition des ersten zweisprachigen Notariatsregisters von Stadt und Landschaft Freiburg im Üchtland vor. Die Publikation dieser Quelle des frühen 15. Jahrhunderts bildet den Auftakt einer neuen Buchreihe zur Geschichte der Stadt Freiburg im Üchtland und des gleichnamigen Kantons. Unter dem Titel Bibliotheca Otolandana möchte das Staatsarchiv Freiburg unter dem Kuratorium des Verantwortlichen für die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bestände Lionel Dorthe der Veröffentlichung sowohl von Schriftquellen aller Epochen als auch Quellenauswertungen und Abhandlungen zur Freiburger Geschichte eine zweisprachige wissenschaftliche Plattform bieten. Nach dem Beginn mit einem klassischen Druck ist die digitale Präsentation der Reihe in Vorbereitung. Ihr einprägsamer kurzer Titel nimmt die älteste Bezeichnung Otolanda für die Region aus dem 11./12. Jahrhundert auf, auf welchen der deutsche Begriff Üchtland zurück geht.

In der Einleitung wird dem Leser zunächst die Person des Notars Johann Albi (J. Wyss, J. Ronoz, Jean Blanc) und seine Vita vorgestellt, dann das von ihm geführte Register und drittens die Editionsgrundsätze. Abkürzungsverzeichnis und Bibliographie beschliessen den Einführungsteil. Die Edition der insgesamt 938 verzeichneten Rechtsgeschäfte erstreckt sich über 553 Seiten. Abgerundet wird der Band mit zwei Registern und einer Typologie. Das Personenregister führt alle in den Verträgen genannten Namen und präsentiert diese nicht nur ergänzt um ihre Rolle in den Kontrakten, sondern auch um erwähnte verwandtschaftliche Beziehungen, Berufsbezeichnungen und die Zugehörigkeit zur Freiburger Bürgerschaft. Zur Identifikation der Personen zog die Herausgeberin ausserdem ihre Forschungen zur Geschichte der Waldenser und das erste Bürgerbuch der Stadt heran. 1 Damit bietet dieses Personenregister über die reine Erschliessung der edierten Quelle hinaus eine Grundlage für eine Untersuchung der Bürger und Bewohner Freiburgs. Das Ortsregister umfasst die Identifikation mit heutigen Orten und hilft damit auch interessierten Laien bei der Orientierung in den Texten. Anstelle eines Sachregisters wird am Ende eine Typologie der Rechtsgeschäfte gegeben, eine bereits bei der Edition des Registrum Lombardorum erprobte Vorgehensweise.2

Die einzelnen Rechtsgeschäfte sind durchnummeriert, unter Beifügung der Nummern verwandter Stücke in Klammern. Das dem Originaltext jeweils vorangestellte Regest verwendet normierte Namen der Beteiligten einschliesslich der Zeugen; den Abschluss bildet das Datum, aufgelöst nach dem heutigen Kalender. Dem eigentlichen Text vorangestellt wird die Folioangabe in der Handschrift. Zur besseren Lesbarkeit werden die Texte beider Sprachen in moderner Interpretation transkribiert. Hier hätte man sich, über den Umgang mit Abkürzungen und fraglichen Lesungen hinaus, genauere Angaben zu den Normalisierungen gewünscht. Ein Anmerkungsapparat gibt sowohl die knapp gehaltenen kritischen als auch die sachlich-inhaltlichen Anmerkungen wieder. Diese letzteren enthalten primär die Identifikation von Personen und Orten mit Verweis auf genannte Quellen und Sekundärliteratur.

Johann Albi ist einer unter mehreren, parallel in der Stadt arbeitenden Notaren. Ob er die Qualifikation eines öffentlichen Notars erworben hatte, scheint nicht bekannt. Als einer der wenigen führte er auch Aufgaben in der städtischen Kanzlei aus. Der 137 Blätter umfassende Band ist wohl der einzige von Albi erstellte. Er scheint vollständig überliefert und dokumentiert Albis Arbeit während 20 Jahren von Anfang 1407 bis zur Mitte des Jahres 1427. Die Einträge folgen bis auf wenige Ausnahmen einer strengen Chronologie. Lateinische und frühneuhochdeutsche Verträge wechseln entsprechend des Bedarfs der Vertragspartner. Sein Kundenkreis scheint kleiner als der anderer Notare gewesen zu sein. Zu ihm gehörten mehr Niedergelassene als Bürger, mehr Eigentümer von Holz- als von Steinhäusern, weniger «Rentner» als Leute, die einen Beruf ausübten. In den Jahren mit den meisten stipulierten Geschäften überwiegen die Angehörigen einer grossen Zahl verschiedener Handwerke, von denen namhaft viele aus dem deutschen Sprachraum eingewandert waren, um Lehr- oder Gesellenjahre in der Stadt zu verbringen.3 Sie bevorzugten für den Abschluss Ihrer Verträge einen Notar mit deutschen Sprachkenntnissen und Dokumente in der für sie verständlichen Sprache. Das hohe Aufkommen von Handwerkern mit ihren zum Teil spezifisch genannten Werkzeugen oder Aufgaben veranlasste bereits Hektor Ammann im Rahmen seiner Arbeiten zu Gewerbe, Industrie und Handel etwa ein Viertel der Rechtsgeschäfte zu publizieren.4 Die dokumentierten Rechtsgeschäfte geben weiter Einblick in gewöhnlich unterrepräsentierte soziale Schichten in der Stadt und auf dem Land. So erfahren wir von Konflikten zwischen Lehnsmännern auf der Landschaft und ihren Lehnsherren sowie von – ebenfalls auswärtigen – Prostituierten und Schlägereien unter den Handwerkern im Bordell.

Dieser erste Band der neuen Reihe gibt mit der Edition des Notariatsregisters Einblick in zahlreiche Aspekte der Freiburger Wirtschafts- aber auch der Sozialgeschichte des frühen 15. Jahrhunderts. Er erhellt topografische und baugeschichtliche Details der prosperierenden Stadt, er berichtet aus grosser Nähe von Finanzen, Alltag und Familienverhältnissen. Der Blick auf die Lebensrealität der Menschen ist insofern unverstellt, als die Verschriftlichung der Verträge die pragmatische Herstellung von Rechtssicherheit bezweckt und weniger die Absicht verfolgt, der Nachwelt ein bestimmtes Bild mitzuteilen.

Weiter präsentiert der vorliegende Band in programmatischer Weise eine Quelle, die das bereits im Spätmittelalter praktizierte Nebeneinander von Französisch und Deutsch in der Stadt Freiburg bis hinein in die offiziellen Dokumentation belegt. Die Zweisprachigkeit in der Stadt erforderte entsprechende Sprachkompetenzen des Kanzleipersonals. Mit dem Französischen als Amtssprache und dem Lateinischen als traditioneller Sprache für Notarsinstrumente führte die Verwendung der Volkssprache Deutsch kanzleiintern zu Konflikten. Diese konnten wohl auch nicht durch eine 1424 vom Rat verfügte Aufgabenverteilung beigelegt werden, da sie der Auffassung des Stadtschreibers von einer strikten Hierarchie entgegenlief. Verlierer in diesem Konflikt war wohl der Notar Johann Albi, der vermutlich nach dem Verlust bedeutender Fürsprecher im Rat seine Aufgaben in der Kanzlei und damit wesentliche Einnahmen verlor. Drei Jahre nach diesem Einbruch setzte er selbst seinem Leben ein Ende.

Anmerkung:
1 Kathrin Utz Tremp, Waldenser, Widergänger, Hexen und Rebellen. Biographien zu den Waldenserprozessen von Freiburg im Üchtland (1399 und 1430), Freiburg 1999 (Freiburger Geschichtsblätter Sonderband); dies. (Hg.): Quellen zur Geschichte der Waldenser von Freiburg im Üchtland (1399–1439), Hannover 2000 (MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters, Bd. 18); Yves Bonfils, Bernard de Vevey (Hg.), Le premier livre des bourgeois de Fribourg 1341–1416, Fribourg 1941 (Archives de la Société d’Histoire du Canton de Fribourg, Bd. 16).
2 Vgl. Lionel Dorthe, Kathrin Utz Tremp (Hg.), Registrum Lombardorum. Le premier registre notarial des Archives de l’État de Fribourg (1356–1359), Basel 2016 (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. IX Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Freiburg), online: https://www.ssrq-sdsfds. ch/online/FR_I_3_7/index.html#p_III; http://www.e-codices.unifr.ch/en/searchresult/list/one/aef/
RN-0009-0001 (27.7.23)
3 Ausführlich hierzu auch Kathrin Utz Tremp, Der Notar Johann Wyss oder Albi und seine deutschsprachige Kundschaft (1407–1427), in: Freiburger Geschichtsblätter 97 (2020), S. 9–76.
4 Hektor Ammann, Mittelalterliche Wirtschaft im Alltag. Quellen zur Geschichte von Gewerben, Industrie und Handel des 14. und 15. Jahrhunderts aus den Notariatsregistern von Freiburg im Üchtland 1, Aarau 1942.

Zitierweise:
Andersen, Sue: Rezension zu: Utz Tremp, Kathrin (Hg.): Das erste zweisprachige Notariatsregister von Freiburg (1407–1427). Staatsarchiv Freiburg (Schweiz), Notariatsregister, 31, Freiburg 2021. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 73(3), 2023, S. 367-369. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00134>.

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